WIR LADEN DICH EIN: Komm in unser Vorschul-Webinar für 0,-! Such dir einen freien Termin aus:​

Warum Löwe nicht mit „El“ beginnt und Auto nicht mit „A“
Oder: Warum du Buchstaben lautieren solltest

Hier kommt ein kleines Rätsel für dich:

Ein Kind schreibt in der ersten Klasse dieses Wort: „NT“
Was heißt das?
Na?

Ich verrate es dir:

Ente.

Aber warum hat das Kind das Wort so geschrieben??

Dazu gehe ich mal ein paar Schritte zurück.

Und so geht es weiter:

Im Vorschuljahr wächst das Interesse an Sprache und Schrift

Das kennst du sicher: Im letzten Kitajahr interessieren sich viele Kinder immer mehr für Buchstaben:

Sie versuchen ihren eigenen Namen nachzumalen, erkennen Buchstaben auf
Schildern und Plakaten wieder („Schau mal, da ist ein ‚A‘!“) und
beobachten fasziniert wenn du vorliest, wie aus einer Aneinanderreihung
dieser sonderbaren Zeichen eine ganze Geschichte wird.

Und sie beschäftigen sich neugierig auch immer stärker mit der gesprochenen Sprache:
Sie lachen sich kringelig beim Erfinden von Quatschreimen, können Wörter schon rhythmisch in Silben sprechen („Pa-pa-gei“) und mit der Zeit sogar schon Anfangslaute von Wörtern heraushören.

Bestimmt hast du so eine Situation schon öfter erlebt:

Eines deiner Vorschulkinder stellt begeistert fest: „Ameise und Ali hört sich am Anfang gleich an! Und Elefant fängt mit ‚E‘ an, genau wie Emil!“

„Stimmt!“, sagst du. Und nimmst vielleicht den Faden auf: „Und Löwe und Lia fangen beide mit ‚El‘ an!“

Das Kind schaut dich fragend an.

Du willst ihm helfen: „Hörst du?: Lllllllöwe und Lllllllia. Beides beginnt mit ‚Elllllllllll‘.“

Später beim Bücher-Anschauen zeigt das Kind auf einzelne Buchstaben und fragt dich, welche es sind. Du antwortest: „Das ist ein ‚El‘. Und das hier ein ‚Em‘. Und das ist ein ‚Pe‘.“

Wissbegierig saugt das Kind alles auf. So kennt es bald schon ziemlich viele Buchstaben.

Und jetzt springen wir wieder vor:
Das Kind ist nun in der Schule und schreibt in Großbuchstaben erste Wörter: Da steht z.B. „NT“, „MA“ und „PTR“. Als die Lehrerin das Kind bittet ihr die Wörter einmal vorzulesen, liest es „Ente“, „Emma“ und „Peter“.

Kannst du dir denken, warum?

Buchstaben lautieren - Anlaute Ente

Es hat für das grafische Zeichen „N“ die Bezeichnung „En“ kennengelernt!

Als es nun „Ente“ verschriften will, schreibt es darum für den ersten Teil des Wortes „En“ den Buchstaben „N“, für den zweiten Teil „te“ den Buchstaben „T“. Nach seinem Verständnis hat das Kind eigentlich alles richtig gemacht!

Aus demselben Grund wird aus den Wörtern „Emma“ und „Peter“ auf dem Papier „MA“ und „PTR“.

Das Kind hat also die einzelnen Buchstaben – d.h. die grafischen Zeichen „N“, „T“, „M“ etc. – mit ihren Namen verknüpft („En“, „Te“, „Em“) und nicht mit den Lauten, die von ihnen verkörpert werden.

Und genau da liegt der Knackpunkt:

Wenn Kinder schreiben und lesen lernen, ist die Verknüpfung von Buchstaben und Buchstabennamen nicht hilfreich – im Gegenteil: Sie ist sogar hinderlich!

Was die Kinder stattdessen brauchen, ist ein Wissen um die einzelnen Laut-Buchstabe-Zuordnungen!

Die Alphabetschrift – eine geniale Erfindung!

Buchstaben lautieren - Kinder lernen Alphabetschrift

Unsere Schriftsprache ist nämlich eine Alphabetschrift – also eine Schrift, bei der die hörbaren Laute der Sprache (die sogenannten Phoneme) als grafische Zeichen (Buchstaben bzw. Grapheme) visuell dargestellt werden.

Das Geniale an solch einer Alphabetschrift ist, dass man nur eine begrenzte Anzahl von Zeichen lernen muss, um jedes Wort schreiben oder lesen zu können.

Im Vergleich: Chines*innen mit Schulbildung benutzen bis zu 6000 Schriftzeichen!

Das deutsche Alphabet dagegen hat nur 26 Buchstaben.
Mit ihnen können alle Laute unserer Sprache dargestellt werden.
Für manche Laute gibt es keinen „eigenen“ Buchstaben: Der Laut /ʃ / z.B. wie in „Schule“ oder „Fisch“ wird durch die drei Buchstaben <sch> verkörpert. Und auch die Grapheme <au>, <ei> und <eu> bestehen aus mehreren Buchstaben.

In der Schule lernen die Kinder dann diese konkreten Laut-Buchstabe-Zuordnungen. Und das ist – obwohl die Alphabetschrift im Grunde einem genial einfachen Grundprinzip folgt – trotzdem ganz schön knifflich.

Zum Beispiel, weil die Laut-Buchstabe-Zuordnungen nicht immer ganz eindeutig sind:
Das <a> bspw. verkörpert streng genommen eigentlich zwei verschiedene Laute, nämlich das lang und gedehnt gesprochene /a:/ wie in „Hase“ und das kurz gesprochene /a/ wie in „Mast“. Das <ch> wird mal weich wie in „ich“ gesprochen, mal hart wie in „Buch“.

Und dann wird ein und derselbe Laut oft auch noch unterschiedlich geschrieben, was die Kinder dann ab ca. der 2. Klasse schrittweise im Rahmen ihrer Auseinandersetzung mit den Rechtschreibregeln lernen (z.B. „Haken“, „Dreck“, „Weg“).

Trotz der Rechtschreibregeln, die die Schreibweise vieler Wörter beeinflussen, ist die deutsche Schriftsprache aber trotzdem grundsätzlich eine lautbasierte Schrift.

Darum ist die Laut-Buchstabe-Zuordnung für den Einstieg ins Lesen- und Schreiben-Lernen von großer Bedeutung!

Buchstaben lautieren

Und deshalb ist es so wichtig, dass du die Buchstaben lautierst, wenn deine Vorschulkinder dich fragen: „Was ist denn das für ein Buchstabe?“

Wenn ein Kind also auf ein „L“ zeigt, sage: „Das ist ein Lllllllll.“ Zeigt es dir ein „M“, sag: „Das ist ein Mmmmmmm.“
Fragt es dich nach dem „P“, sage nicht „Pe“ [pe:], sondern „P“ [p] – also wirklich nur den kurzen, stimmlosen, ploppend klingenden Verschlusslaut, den deine Lippen erzeugen, wenn du das „P“ artikulierst.

Und wenn ihr spielerisch die Anfangslaute von Wörtern untersucht, gilt dasselbe:
Lass die Buchstabennamen raus und benenne immer die Laute!

Denn für die Kinder geht es in dieser Entwicklungsphase erstmal um das, was zu hören ist. Und bei dem Wort „Löwe“ ist einfach kein „El“ am Anfang zu hören! Genauso wenig wie ein „A“ am Anfang von „Auto“ oder ein „E“ bei „Eis“!
Sondern: „Löwe“ beginnt mit „Lllllll“ und „Auto“ mit „Au“ und „Eis“ mit „Ei“.

Buchstaben lautieren - Auto nicht mit A

Dass das geschriebene Wort „Auto“ auf dem Papier dann doch mit dem Buchstaben „A“ beginnt, nämlich weil der Laut /au/ [aʊ] durch die Buchstabenkombination <au> dargestellt wird, lernen die Kinder dann in der Schule. In der Kitazeit wäre es aber verwirrend für das Kind, wenn du ihm sagst, dass „Auto“ mit „A“ anfängt – denn das Kind hat ja nicht das geschriebene Wort vor Augen (wie du), sondern achtet auf seinen Klang!

Übrigens gibt es jede Menge Bilderbücher zum Thema „ABC“, mit Wimmelbildern zu jedem Buchstaben, in denen das leider auch nicht berücksichtigt wird.
Da finden sich dann auf der Seite zum „A“ neben Bildern von „Alligator“, „Amsel“ und „Ameise“ auch welche von „Auto“ und „Auge“. Oder für das „S“ sind nicht nur „Salamander“, „Sonne“ und „Säge“ abgebildet, sondern auch „Schaf“ und „Schildkröte“. Aber weder in „Schaf“ noch in „Schildkröte“ ist ein „Ssssss“ zu hören!

Und vielleicht hast auch du ein Anlaut-Memory in deinem Kita-Fundus, bei dem das Paar zum „E“ aus „E“ und „Ei“ besteht. Dieses Memory-Paar kannst du getrost aussortieren!

Soll ich in der Kita mit den Kindern das ABC lernen?

Du weißt jetzt, dass die Laut-Buchstabe-Zuordnung für den Einstieg ins Lesen- und Schreibenlernen wichtig ist.

Heißt das nun, dass du mit den Kindern schon sämtliche Laut-Buchstaben-Zuordnungen, also das Alphabet und sogar noch besondere Buchstabenkombinationen wie <au> oder <sch> lernen solltest?

Ganz klar: NEIN!!!

Das Alphabet und auch die komplexeren Grapheme lernen die Kinder in der Schule!
Es ist nicht Aufgabe der Kita, die Schule vorwegzunehmen und den Kindern das Lesen und Schreiben beizubringen!

Deine Aufgabe ist es, in der Kita die Grundlagen dafür zu legen, dass die Kinder in der Schule dann Lesen und Schreiben lernen können. Also wichtige Basisfähigkeiten zu fördern, die für das Erlernen von Lesen, Schreiben und Rechnen wichtig sind!

Für das Lesen und Schreiben ist die sogenannte „phonologische Bewusstheit“ eine ganz wichtige Vorläuferfähigkeit. Denn weil unsere Schrift eben eine lautbasierte Alphabetschrift ist und die Kinder für’s Lesen und Schreiben später die Wörter in ihre einzelnen Laute zu zerlegen müssen, ist es wichtig, dass die Kinder ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass Wörter nicht nur eine Bedeutung haben, sondern auch eine klangliche Qualität.

Genau das ist mit „phonologischer Bewusstheit“ gemeint: sich von der Bedeutung der Wörter zu lösen und auf ihren Klang zu fokussieren.

Buchstaben lautieren - Silben, Reime, Anlaute

Und das kannst du schon in der Kita anbahnen, indem du spielerisch das Erkennen von Reimen und Silben förderst (die gehören nämlich in den Bereich der sogenannten „phonologischen Bewusstheit im weiteren Sinne“).

Und du kannst noch einen Schritt weiter gehen, indem du die Kinder auf die Anfangslaute aufmerksam machst (die gehören zur „phonologischen Bewusstheit im engeren Sinne“). Denn die Anlaute können die Kinder im Vorschulalter allmählich immer besser heraushören.

Und dabei gilt es dann immer die Laute zu benennen und nicht die Buchstabennamen.
Also dein eigenes Wissen um die konkrete Schreibweise einmal außer Acht zu lassen: „Mama“ beginnt also mit „Mmmmmm“, „Schlange“ beginnt mit „schschschsch“!

Meine Vorschulkinder wollen aber unbedingt das ABC lernen

Soll ich sie ausbremsen und mich ganz auf die hörbaren Laute konzentrieren?

Nein!

Denn auch wenn es Aufgabe der Schule ist, den Kindern das Alphabet zu vermitteln, darfst und sollst du natürlich mit den Interessen und der Neugier der Kinder gehen!

Wenn sie Lust haben, sich noch intensiver mit Buchstaben zu beschäftigen, solltest du das auch unterstützen!

Dann kann es durchaus sein, dass einzelne Kinder bis sie in die Schule kommen schon eine ganze Menge Laut-Buchstabe-Zuordnungen kennen und in der Schule dann auf diesem Wissen aufbauen können.

Aber noch einmal:

Es ist nicht deine Aufgabe, die Schule vorwegzunehmen und das ABC zu „lehren“. Wenn einzelne Kinder von sich aus mehr Input dazu von dir wollen – gut! Du musst das aber nicht von dir aus forcieren.

Sondern lege den Schwerpunkt grundsätzlich lieber auf die Förderung von wichtigen Basisfähigkeiten wie phonologische Bewusstheit, Raumorientierung oder die grundlegenden Wahrnehmungssysteme – die sind für das Lesen und Schreiben nämlich von ganz großer Bedeutung und viele Kinder haben in diesen Bereichen Unterstützungsbedarf!

Lust auf mehr? Hier sind 3 Möglichkeiten, wie es weitergehen kann:

Passend zu diesem Blogartikel gibt es übrigens auch eine Podcast-Folge in unserem Piratenreise-Podcast: Folge #29 „Warum Auto nicht mit A beginnt“. Darin sprechen wir noch ein bisschen ausführlicher über dieses Thema. Hier kannst du sie dir anhören (klicke hier).

Willst du gern wissen, welche Fähigkeiten sonst noch so wichtig sind, um Lesen und Schreiben zu lernen? Dann schau dir doch mal diesen Blogartikel an, in dem wir dir erklären, was eigentlich alles so drin steckt im Lesen und Schreiben und warum Spielen die beste Förderung ist – klicke hier.

Du möchtest tiefer einsteigen in das Thema „Basisfähigkeiten für das Lernen“? Dann ist unser Workshop „Das Haus der Schulfähigkeit“ vielleicht das Richtige für dich. Darin stellen wir dir nicht nur wichtige Basisfähigkeiten für das Lernen vor, sondern geben dir auch jede Menge Tipps, wie du sie spielerisch und in den Alltag integriert fördern kannst UND wie du auch die Eltern in die Unterstützung einbeziehst. Für mehr Infos klicke hier.

Teile diesen Blogartikel!